Newsletter
Erhalten Sie monatlich Informationen über aktuelle Themen und laufende Aktivitäten. Zusätzlich ist eine Auswahl von Themenschwerpunkte optional möglich. Sie werden jedenfalls zum allgemeinen Newsletter angemeldet.
Innovation ist ein vielfältiger Begriff, der je nach Sachverhalt, kulturellem Kontext und individuellem Hintergrund als Chance oder als Bedrohung wahrgenommen werden kann. Die hoffnungsvolle Geschichte liest sich so: neue Technologien werden uns immer neue Möglichkeiten bieten, uns ein längeres und gesünderes Leben ermöglichen, die Umweltzerstörung beenden, ohne dass wir dazu unseren Lebensstil ändern müssten, uns dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen in einer immer komplexer werdenden Welt zu treffen. Sie führen zu wirtschaftlichem Erfolg und Wohlstand und sind Voraussetzung für unsere Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Wirtschaft. Die pessimistische Version fürchtet, dass Technologien außer Kontrolle geraten könnten, es bei ihrer Verbreitung zu unerwarteten Auswirkungen auf Gesundheit oder Natur kommt, ethische Grenzen überschritten werden, es schwer ist, aus einmal eingeschlagenen Technologiepfaden wieder auszusteigen, und wir immer abhängiger und leichter manipulierbar werden. Es ist schwer, zwischen diesen beiden Weltbildern zu vermitteln, denn sie sind kulturell geprägt und werden von der eigenen Lebensgeschichte beeinflusst. Wer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten aufgewachsen ist, hofft darauf, selbst einmal in der Garage einen Welterfolg zusammenzuschrauben. Wer vom radioaktiven Fallout von Tschernobyl oder Fukushima betroffen war, sieht das Störfallrisiko der Kerntechnologie anders, als jemand, der diese Katastrophen nur in den Abendnachrichten gesehen hat.
Es stellt sich daher die Frage, wie wir darüber entscheiden sollten, welche neuen Technologien entwickelt werden (und welche nicht) und welche ihrer Wirkungen erwünscht, akzeptabel oder inakzeptabel sind. In den letzten Jahrzehnten wurden punktuelle Debatten um einzelne Technologien geführt, wie zum Beispiel um die Atomkraft in den 1970er-Jahren oder um die Gentechnik in den 2000er-Jahren. Dabei standen zumeist die wirtschaftlichen Interessen der Industrie den mehr oder weniger rationalen Bedenken der Bevölkerung gegenüber. Ein Delegieren der Entscheidungen an unabhängige ExpertInnen schien auf den ersten Blick sinnvoll. Auf den zweiten Blick zeigte sich, dass auch ExpertInnen durch ihre Weltbilder und Lebenswege geprägt sind und bisweilen eigene Interessen verfolgen. Letztlich entschied die Politik – oft auf Druck der Bevölkerung - und der Einsatz mancher Technologien wurde gestoppt oder an bestimmte Auflagen gebunden.
Heute hat sich das Bild massiv gewandelt: Die Wirtschaft ist globalisiert, so dass nationale Politik kaum mehr grundlegende technologiepolitische Entscheidungen treffen kann. Dadurch sind auch die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Einbindung deutlich geringer geworden. Die Technologien selbst sind so komplex geworden, dass sie sich dem Verständnis der Menschen immer mehr entziehen. Zugleich werden immer höhere Investitionssummen erforderlich um im globalen Technologiewettbewerb mitspielen zu können. Wird eine Innovation von den Menschen abgelehnt, sind die verlorenen Kosten für das jeweilige Unternehmen oder eine ganze Branche enorm. Die Frage der Akzeptanz lässt sich wiederum auf das Vertrauen zurückführen, das einem Unternehmen entgegengebracht wird. Gänzlich neu ist, dass es nicht nur um einzelne Schlüsseltechnologien, sondern um das Design ganzer Systeme geht, zum Beispiel beim Design von Mobilitäts-, Ernährungs- oder Finanzsystemen.
Ein lebensnahes Beispiel für das Design ganzer Systeme ist der verstärkte Einsatz von Technologien in unseren Wohnungen, die unser Leben sicherer, einfacher und gesünder machen sollen und uns im Alter oder Krankheitsfall ein autonomes Leben zu Hause ermöglichen. Bisherige ermöglichten Smart Homes die Steuerung von Heizung, Beleuchtung und Elektrogeräten und boten erweiterte Überwachungs- und Zutrittstechnik. Mit Alexa und Co bekamen sie eine Stimme und erwecken nun den Anschein einer Persönlichkeit. Schon in wenigen Jahren werden Technologien zum Einsatz kommen, die unser Leben zu Hause massiv verändern: Virtuelle Realität wird unsere sozialen Kontakte völlig unabhängig von Zeit und Ort machen und die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Simulation verschwimmen lassen. Enorm billige Computer-Chips werden es ermöglichen, Sensoren in alle möglichen Dinge einzubauen und diese über Software zu steuern. Wohnungen werden unsere Gewohnheiten und Vorlieben besser kennen als Familie und Freunde und uns aktiv bei der Gestaltung unseres Lebens beraten. Roboter werden nicht nur bei der Reinigung unserer Wohnungen eingesetzt, sondern auch in der Pflege von Kindern, alten und kranken Menschen und vielleicht sogar zu wichtigen Bezugspersonen werden. Kritische Stimmen sorgen sich dabei nicht nur um den Verlust sozialer Kontakte, sondern auch um Abhängigkeit und Datensicherheit.
Wie unser Zuhause 2030 aussieht, kann kein einzelnes Unternehmen, keine Politik, kein Markt und auch kein einzelner Mensch gestalten. Vielmehr ist eine Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Augenhöhe erforderlich, um deren Kreativität zu bündeln und Lösungen zu entwickeln die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Verantwortungsvolle Innovation bedenkt zudem ethische Grenzen, wirtschaftliche und soziale Folgen und achtet darauf, dass die Qualitäten des Wohnens, nämlich eines sicheren, privaten und vertrauten Zuhauses, erhalten bleiben. Die dafür erforderlichen Methoden werden derzeit im Projekt www.LIVING-INNOVATION.net entwickelt und in 18 Workshops in ganz Europa getestet. Am 5. Dezember 2018 findet an der WU Wien eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ethische Herausforderungen für Unternehmen im Umgang mit Artificial Intelligence“ statt, die vom Institut für Nachhaltigkeitsmanagement der WU Wien und respACT – austrian business council for sustainable development organisiert wird.
Über den Autor:
André Martinuzzi leitet das Institut des Nachhaltigkeitsmanagements der Wirtschaftsuniversität Wien.
Der Artikel wurde auch als Gastkommentar im Der STANDARD veröffentlicht.
Die Initiative #ThinkTank wird gefördert vom
Newsletter
Erhalten Sie monatlich Informationen über aktuelle Themen und laufende Aktivitäten. Zusätzlich ist eine Auswahl von Themenschwerpunkte optional möglich. Sie werden jedenfalls zum allgemeinen Newsletter angemeldet.